CNL #5: Der "Flywheel-Effekt" - wie Dein Unternehmen Momentum aufbaut und immer schneller wächst
Wenn Unternehmer:innen reflektieren, was der Hauptgrund für Ihren Erfolg (oder Ihr Scheitern) war, ist in der Regel eine kognitive Verzerrung am Werk (Rückschaufehler, oder hindsight bias), der auch tatsächlich schwer zu entkommen ist. Es fehlt zudem an Vergleichsmaterial. Der US-amerikanische Management-Experte Jim Collins hat jedoch einen Weg gefunden.
Auf der Suche nach dem "miracle moment"
Seine Untersuchungen folgen einer strengen Methodik: Er hat für "Good to Great" 1.435 Fortune 500 Unternehmen untersucht und dabei diejenigen, die über viele Jahre massiv erfolgreich waren mit solchen Unternehmen vergleichen, die dieselbe Chance hatten, den Sprung aber nicht geschafft haben.
Eine der wichtigsten Fragen, die er in allen Interviews gestellt hat: Was war der entscheidende Aspekt für schnelles Wachstum? Bis Jim Collins gemerkt hat, dass das die falsche Frage war: Es gab nie diesen einen genialen Streich:
"There was no miracle moment. [...] No matter how dramatic the end result, the goot-to-great transformations never happened in one fell swoop. There was no single defining action, no grand program, no one killer innovation, no solitary lucky break, no wrenching revolution. Goot to great comes about by a cumulative process - step by step, action by action, decision by decision, turn by turn of the flywheel - that adds up to sustained and spectactular results."
Die Geburtsstunde des "Flywheel" Konzepts
Es ist eine Serie von aufeinanderfolgenden, und sich immer wiederholenden, immer effizienter ausgeführten Schritten. Jim Collins hat diese in ein sehr nützliches Framework verpackt, das sog. Flywheel Concept. Flywheel bedeutet auf Deutsch Schwungrad und die Metapher soll verdeutlichen, dass die ersten Umdrehungen sehr schwer sind, während sich das Rad im Laufe der Zeit immer leichter beschleunigen lässt, und dann auch sehr lange schwingen kann.
Das Flywheel-Konzept ist eines der am schwierigsten zu verstehenden Konzepte von Jim Collins. Er sagt selbst, dass es eine Art Zusammenfassung aller Erkenntnisse aus der "Good to Great"-Forschung sei. Und er hat es für nötig gehalten, das Konzept in einer kleinen Monographie zu vertiefen ("Turning the Flywheel").
Ich habe selbst lange Zeit mit dem Konzept gekämpft. Das Problem: Du kannst Dein Flywheel nur zeichnen, wenn Du Dein Geschäftsmodell, Deine Wachstumstreiber und die Art und Weise wie diese ineinandergreifen ganz genau verstehst. Das Flywheel ist kein Framework, um zu diesen Erkenntnissen zu kommen. Es ist eine Visualisierung der Ergebnisse.
In 3 Schritten zu Deinem eigenen Flywheel:
1. Zeichne einen Kreis
2. Liste alle Elemente Deines Unternehmens auf, die Dir wichtig erscheinen (Entwicklungsschritte, Angebote, Strategien, Nutzer-Verhalten usw.).
3. Bringe die wichtigsten vier oder fünf in die richtige Reihenfolge entlang des Kreises, so dass sich jeweils der eine Schritt notwendigerweise aus dem vorangegangenen ergibt ("...each component ... ist almost an inevitable consequence of the step that came before it...").
Bei Flywheels geht es darum, Vorteile zu erzielen. Eine Liste typischer Arten von Vorteilen kann deshalb sehr nützlich sein, wenn man über Flywheels nachdenkt. Hier sind 6 häufigste Vorteile:
Beispiele funktionierender Flywheels
Was mir geholfen hat, sind Beispiele der Flywheels anderer Unternehmen. Es gibt nicht die eine richtige Art ein Flywheel zu zeichnen. Es gibt auch online keinen Fundus an "offiziellen Flywheels" einzelner Unternehmen. Jim Collins und ChatGPT sei Dank kannst Du im Folgenden ein paar Flywheels funktionierender Geschäftsmodelle einsehen:
Beispiel 1: Amazon
Beispiel 2: Intel
Beispiel 3: Uber
Beispiel 4: Jurafuchs
Über die Zeit haben wir auch bei Jurafuchs immer wieder unser Flywheel weiterentwickelt. Je besser wir die Treiber unseres Erfolgs verstehen, desto klarer wird das Flywheel. Hierbei sind unzählige Varianten entstanden, die jeweils unterschiedliche Aspekte betonen. Mein persönlicher Favorit ist im Moment diese Variante:
- Investition in Personalisierung und Content: Wir geben unser Geld dafür aus, um hochwertige Lern-Inhalte für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen zu erstellen. Gleichzeitig setzen wir neueste Technologie (z.B. KI/GPT-4) ein, um die Lernerfahrung zu personalisieren.
- Bessere Lernerfahrung: Personalisierung, Gamification und eine immer höhere Content-Dichte verbessern die Lernerfahrung.
- Größerer Mehrwert für bestehende Nutzer:innen: Das Lernen mit Jurafuchs wird immer persönlicher, individueller, abwechslungsreicher - und damit im Ergebnis: Effektiver! Effektives Lernen (d.h. Aha-Momente / Zeit) ist die Kern-Metrik, nach der Jurastudent:innen und Rechtsreferendare ihre Lernmethode auswählen sollten.
- mehr Nutzer:innen: Je größer der Mehrwert der Lern-Plattform, desto einfacher ist es für uns, neue Nutzer zu gewinnen. Es gibt zudem Netzwerk-Effekte (z.B. persönliche Empfehlungen), die unser Nutzer-Wachstum enorm beschleunigen.
- Steigender Abo-Umsatz: Je mehr aktive Nutzer:innen wir haben, desto höher ist unser Umsatz aus dem Abo-Modell.
Zusammenfassung/ TL;DR
Das Flywheel-Konzept von Jim Collins ist eine Metapher für nachhaltigen Geschäftserfolg, der durch kontinuierliche und iterative Verbesserung erreicht wird. Statt nach einem einzigen "Wundermoment" zu suchen, der zu großem Erfolg führt, beschreibt das Flywheel-Konzept den Prozess, bei dem jedes Element des Unternehmens - von der Strategie über die Produktentwicklung bis hin zum Marketing - in einer Weise aufeinander aufbaut, dass sich mit der Zeit ein Momentum aufbaut. Dieses Momentum ist vergleichbar mit dem eines Schwungrades, das anfänglich schwer in Bewegung zu setzen ist, aber mit zunehmender Drehzahl immer leichter läuft und schließlich auch bei geringem weiteren Aufwand noch lange in Bewegung bleibt. Damit betont das Flywheel-Konzept die Bedeutung von Konsequenz, Ausdauer und kontinuierlicher Verbesserung für langfristigen Geschäftserfolg.